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A.I. Rewording
Das Programm des Schwulen Museums zum JAHR DER FRAU_EN, 2018 kuratiert von Birgit Bosold und Vera Hofmann, wirbelte Staub auf, und zwar mehr als dies üblich wäre, da Kritik – oft in Gestalt von Empörung – aus Museum und Umfeld geäußert wurde, in allen Abstufungen des medial und sozial Privaten und Öffentlichen.
Davon zeugen bis heute mehrere im Web zu findende Artikel, so in den Zeitschriften Mannschaft, Siegessäule und Jungle World. Was den beiden Kurator*innen aus dem Vorstand des Schwulen Museums eilig vorgeworfen wurde, bezog sich mehrfach bereits auf die Ankündigung des Jahresprogramms im Newsletter des Museums. Darin bewerteten die beiden das bisherige Programm des Museums als dominiert von schwulen Themen und stellten das JAHR DER FRAU_EN als fälligen Ausgleich dar, um FLINTA*-Perspektiven – Frauen, Lesben, inter, nicht-binäre, trans und agender Personen – als queere Perspektiven, und das heißt hier ohne Berücksichtigung von cis Männern, zur Darstellung kommen zu lassen, und dies mit Aufmerksamkeit auf Machtverhältnisse und intersektionale Ungleichheit innerhalb so genannter Queer Community, international.
Den Kurator*innen wurde eine unsolidarische ja undankbare Haltung vorgeworfen, nicht nur den schwulen Traditionen des Museums, sondern insbesondere den schwulen ‚Schwestern‘ gegenüber. Sie hätten von der Geschichte des Museums profitiert, um diese nun konkurrenzierend abzuwerten. Zum einen hätte ein Schwules Museum ‚schwul‘ zu bleiben, zum anderen sei ja gar keine Dominanz schwuler Themen in der Museumsgeschichte festzustellen gewesen: so lauteten zugespitzt wesentliche und widersprüchliche Verteidigungsversuche, die die Treffsicherheit der Ideologiekritik durch das JAHR DER FRAU_EN-Projekt unwillkürlich bestätigten. Auch zum Reizthema „Intersektionalität“ war eine Zuspitzung in der sich als schwul identifizierenden Abwehr zu bemerken: Etwa, wenn von denjenigen, die sich durch das JAHR DER FRAU_EN-Programm aus ‚ihrem’ Museum ausgeschlossen fühlten und eine kleinliche Identitätspolitik in der Programmkonzeption bemängelten, wiederum mit einer Identitätskaskade von „schwul, weiß, cis“ geantwortet wurde, um den Kurator*innen diskriminierende Gewaltakt gegen sich, gegen die „schwul, weiß und cis“ identifizierten Männer, vorzuwerfen. Markant war in solcher Abwehrhaltung ein grundsätzlicher Gestus, bereits bevor das Programm selbst auch nur annähernd hätte rezipiert werden können.
Einige dieser Äußerungen gegen das JAHR DER FRAU_EN wurden mir von einer der Kurator*innen in einem digitalen Folder mit dem Titel „Hassmäppchen“ übergeben. In meiner Analyse des Materials, das ich selbst noch durch Online-Recherche ergänzen konnte, war der Eindruck vorherrschend, dass die Gegenreaktionen zum Programm, obschon in ihrer Heftigkeit überraschend, doch weitgehend schematisch wirkten. Der intellektuelle Automatismus dieser Kritik kann als Teil eines zunehmenden Verfalls politischer Debatten beklagt werden. Darüber hinaus kann das Schnelle und Voraussagbare der negativen Reaktion, einschließlich ‚ver-rückt’ überschießender identitärer Polarisierung und Simplifizierung an Maschinen, Rechenmaschinen, an sogenannte intelligente Bots erinnern und wie ein medialer Reflex von vermehrtem Einsatz von Programmen Künstlicher Intelligenz – auch in der kulturellen Äußerung, wie etwa in den Social Media – gelesen werden. Zu diesem Gedanken einzuladen ist Impuls der künstlerischen Bearbeitung von exemplarischen Artikeln, die derzeit noch im Original online zugänglich sind und die gegen das Programm JAHR DER FRAU_EN von 2018 im Schwulen Museum Berlin zu agieren versuchen.
Dafür habe ich frei verfügbare Software zum Paraphrasieren, beziehungsweise zum Rewording von Texten verwendet, ebenso online Translation Systems, die mit Versprechen von „same content, new text“ auf sich aufmerksam machen. Da automatisierte Neuformulierungen von Texten bisher in englischer Sprache gebräuchlicher sind, habe ich die in Deutsch erschienenen Artikel zunächst von frei verfügbaren Apps übersetzen lassen, die Übersetzung dann per Rewording verarbeiten lassen und die Neuformulierung wieder zurück ins Deutsche übersetzen lassen. Eine Bearbeitung der Bilder mit sogenanntem „Retusche“-Werkzeug, üblicherweise für Bild-„Verbesserung“ eingesetzt, findet hier vor allem bei Portraits neue Verwendung. Abbildungen von Personen erscheinen dadurch wie Variablen – Leerstellen in einem mathematischen oder logischen Ausdruck. Dies korrespondiert dem nivellierenden Rewording-Verfahren, das doch vor allem Sicherheit garantieren soll: durch angebliche unbeschädigte Kontinuität (von Sinn) der reformulierten Versionen.
Dies erscheint mir einer als Kritik verbrämten Rivalitätsbekundung gegenüber Programm und Kurator*innen des Programms 2018 am Schwulen Museum ähnlich, wenn gegenüber Impulsen und Konzepten vermeintlicher Eindringlinge bei hoher argumentativer Widersprüchlichkeit doch eines erhalten bleiben soll: … ! [Hier füllen Sie bitte selbst das fehlende Wort ein].
Ur-Queergida: Als Folge wird «cis, weiß, männlich» stigmatisiert
Die unter A.I. Rewording bearbeiteten Webseiten finden sich in ihren originalen Versionen als auskommentierter Quelltext einer Einzeldatei im Code der jeweiligen Website dokumentiert.
Verarbeitet wurden diese URLs:
• https://mannschaft.com/unsere-queergida-so-wird-cis-weiss-maennlich-diffamiert/
• https://mannschaft.com/schwules-museum-berlin-kampfabstimmung-fuer-neuen-vorstand/
• https://www.siegessaeule.de/magazin/3715-zu-wei%C3%9F-zu-m%C3%A4nnlich-zu-schwul-wie-das-schwule-museum-sein-fundament-entsorgt/
• https://jungle.world/artikel/2018/05/aufpolierte-macht
(zuletzt aufgerufen 28.2.2022)