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Veränderung ist nicht immer einfach – doch sie schafft so viel mehr gemeinsame Sichtbarkeit
Das Schwule Museum war für mich als ‚teenie activist*‘ immer ein wichtiger Ort, wenn ich in Berlin zu Besuch war. Es wurde zu einem Ort, an dem ich heute im Vermittlungsteam mitarbeite und selbst die Ausstellung Mercury Rising – Inter* Hermstory[ies] Now and Then initiieren und co-kuratieren konnte.
Es gab so viele wichtige Ausstellungen, wie z. B. Geschichte des § 175 – Strafrecht gegen Homosexuelle (1990), L-Projekt: Lesben in Berlin in den 1970 Jahren bis heute (2008), Homosexualität_en (2015), PROUDLY PERVERTED – Ein Blick in die FrauenLesbenTransInter BDSM Community (2018), oder Trial and Error (2019), die für sich in ihrer jeweiligen Zeit auch die wichtige notwendige Sichtbarkeit erwirkt haben. Das SMU ist ein Ort, in dem viel Geschichte gezeigt und auch geschrieben wurde. Und ich persönlich finde es wichtig, dieses zu sehen, zu würdigen und auch dankbar zu sein, dass es schon lange vor mir Menschen gab, die für ihre, für unsere und für gemeinsame Rechte und Sichtbarkeit aufgestanden sind und gekämpft haben. Und dennoch, oder vielleicht auch genau deshalb, heißt für mich ein politischer Ort auch, sich weiter zu bewegen, Veränderungen zuzulassen, Veraltetes loszulassen und Neues gemeinsam zu entwickeln. Und ja, das ist wahrlich nicht immer einfach, es ist oft mit Ängsten, Sorgen und Streit verbunden, manchmal bewusst, manchmal unbewusst. Doch ich denke, auch das gehört dazu, denn es geht ja schließlich um unser Leben, unsere Identitäten und unser Sein.
Viele zu Beginn schwule Räume haben lange gebraucht, um sich auch für Lesben, trans, inter und nicht-binäre Personen zu öffnen und manche sind noch immer dabei, manche werden es vielleicht auch nie tun. Aber was bedeutet dieses Öffnen eigentlich? Für mich heißt es vor allem, die Möglichkeit der Teilhabe an und in diesen Räumen, das politische und gesellschaftliche Weiterentwickeln dieser Räume zu ermöglichen und für alle LGBTIQA+ Personen rechtliche Anerkennung und Selbstbestimmung zu schaffen. Mit mehr Ressourcen kann mehr bewegt werden.
Zu diesen Räumen gehören auch Museen, denn mit Kunst erreicht mensch ein weiteres, teilweise anderes Publikum und kann dadurch auf anderen Ebenen Sichtbarkeit schaffen, Emotionen anders vermitteln und auch eine weitere Form von Vermittlung und Bildung schaffen.
Einiges von diesen Zielen wurde durch den Öffnungsprozess im Schwulen Museum bereits geschafft, politische und aktivistische Kunst strahlt in ihrer Vielfalt im Museum, weil es Menschen gab, die für diese Öffnung gekämpft hatten und dadurch mehr queere Kunst und Aktivismus sichtbar wurde, was in weiterer Folge auch mehr Ressourcen ins SMU gebracht hat. Dieser Prozess ist sicherlich noch lange nicht abgeschlossen, so wie in vielen LGBTQIA+- Räumen, aber ich denke, erste Schritte wurden gegangen.
Luan Pertl
Intersex Human Rights Defender
Mitglied des Vermittlungsteams des SMU