Pocahunter,

ich bin dein Körper, deine Seele, dein Geist

wir sind eins und sind es doch auch nicht

ich war 9 Jahre alt

Disneys Pocahontas erschien in den Berliner Kinos

das war 1995

kolonial exotisierende und rassistischen Vorstellungen, Blicke und Fragen

erneuerten sich

haben dich erschaffen

durchbohrten mich

“Hat dir schon mal jemand gesagt wie ähnlich du Pocahontas siehst?“

„Woher kommst du?“

du bist die aus dem Grab in England auferstandene Pocahontas

in deinem ersten Leben hießt du Matoaka, warst Tochter der Powhatan

sie haben dich entführt, verschleppt, deinen Namen geändert

ich weiß nicht, welche Gräueltaten du durchleben musstest

angeblich starbst du auf dem Weg zurück in deine Heimat

nun bist du eine Zombie - Pocahontas

eine (Alb)Traum – Pocahontas

eine wandelnde Vorfahrin

die keine Ruhe gefunden hat in der unteren Welt

nun verfolgst du die Menschen in ihren Albträumen

der Kopf von John Smith baumelt an deinem Gurt

du wandelst durch alle Zeiten

gehörst nicht zur Vergangenheit, nicht zur Gegenwart, nicht zur Zukunft

und bist doch in allen zugleich

du wandelst im Dazwischen, im liminal-space

dort wo alle Widersprüche zusammenkommen

transformierst dich konstant

du bist weder der Tod noch das Leben

und dennoch stirbt du immer wieder

und erwachst immer wieder

ich bin dein Körper, deine Seele, dein Geist,

wir sind eins und sind es doch auch nicht

Fotograf: Kurt Prinz, Konzept: Verena Melgarejo Weinandt

Juni 2022

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