SEX IM ALTER: Hommage zum 69. Geburtstag von Mahide Lein (115)

Zum Jahr der Frau_en ehrt das Schwule Museum die Aktivistin Mahide Lein mit einer Sonderausstellung. Diese wird im Rahmen der historischen Übersichtsausstellung Tapetenwechsel präsentiert, die die schwul-lesbische Emanzipationsbewegung vom Mittelalter bis in die Jetztzeit nachzeichnet.

Zur Sonderausstellung sagt Kurator Wolfgang Theis:

„Wärme, Verständnis, Neugier, Anarchie, Zuneigung – das alles ist Mahide Lein. Sie ist eine wunderbare Projektionsfläche queerer Sehnsüchte, Ansprüche und Überforderungen. Vor längerer Zeit fuhr ich mit Mahide eine lange Strecke in der U-Bahn. Mein Verhältnis zu ihr war bis dahin distanziert – wie halt Schwule auf lesbische Allmacht reagieren. Mahide war in melancholischer Stimmung. Schlagartig überkam es mich, Mahide braucht auch mal Streicheleinheiten. Die Idee einer Würdigung der Institution Mahide Lein war in der Welt. Nun also endlich die Hommage der unglaublichen Königin der lesbischen Subkultur zum Abschluss des Jahres der Frau_en im Schwulen Museum.

Mahide war überall dabei: beim Frauentreff Café Niedenau ab 1970 im besetzten Haus im Kettenhofweg Frankfurt am Main, bei der Gründung des Frankfurter ersten Lesbenzentrums. Die Liebe trieb sie nach Berlin, wiederum in ein besetztes Haus, hier übernahm sie mit anderen den Frauentreff Kaffee Winterfeldt. Mahide engagierte sich als Kulturvermittlerin von 1983 – 86 bei den Berliner Lesbenwochen, der Frauen-Sommeruni, organisierte Bars und begleitende Cafés zu Ausstellungen und Filmreihen der Frauenbewegung und fand ein neues Betätigungsfeld im PELZE-multimedia. Hier war ein Raum, Ladies only, entstanden, eine Legende der neuen Frauenbewegung. Ausstellungen, Lesungen, Diskussionen, Filme und Performances bildeten das Gerüst für sagenhafte Partys. Hier wurden Grenzen überschritten, alles war erlaubt – eine wilde Zeit. Es gab heftige Situationen, aber nie Hausverbote. Ein machtfreier Raum der auch Exzesse provozierte, Scheiben gingen zu Bruch. Die Szene braucht Leitbilder, Mahide war ein solches, aber Leitbilder werden auch gestürzt. Die Community ist nur bedingt dankbar. Der queere Filmpreis TEDDY der Berlinale Sektion Panorama hat Mahide als Jury Betreuerin und Best-Girl fast zwei Jahrzehnte lang beschäftigt. 1991 gründete Mahide das erste lesbische Fernsehmagazin auf diesem Planeten: LÄSBISCH-TV und produzierte mit 100 Frauen 27 einstündige Sendungen auf dem Kabelsender FAB, Fernsehen aus Berlin. Zusammen mit Andreas Strohfeldt, dem Frauenzentrum und der Tschaikowsky-Foundation St. Petersburg organisiert sie im Mai 1992 den ersten russischen CSD, 1994 das erste Lesbischschwule Filmfestival, brachte die russischen Aktivist*innen nach Berlin und krönte die alljährliche Wiederholung 1995 mit einer Filmretrospektive von Rosa von Praunheim und Elfi Mikesch in St. Petersburg und Moskau.

Seit 1995 gibt es nun Mahide Leins Künstler*innen-Agentur AHOI, die international agiert. Anfangs betreute sie afrikanische Frauenbands, setzte sich aber bald, neue Herausforderungen suchend, für afrikanische Künstler*innen ein. Die erste Afrikareise führte sie nach Zimbabwe. Zusammen mit Sue Pakeipei Maluwa-Bruce entstand das Video Send me a Postcard sometimes über die Situation von Lesben, Schwulen u. a. in Afrika. Diese Reise veränderte Mahides Leben: fortan wird sie sich mit allen Menschen dieser Welt in Liebe verbunden fühlen. Mahide kennt keine Berührungsängste: Sie arbeitet für die Rechte der Sexarbeiter*innen, der Psychiatrie-Erfahrenen, setzt sich entschieden gegen Genitalverstümmelungen bei Frauen ein, holt afrikanische Homo-Aktivist*innen nach Berlin, fördert die Kultur Tibets und bereist mit ihren Künstler*innen aus aller Welt die Welt. Nebenher führt sie ihren Salon, veranstaltet Kulturprogramme und zumeist finanziell desaströse Konzerte. Unbeirrt wirbelt sie durch Berlins Kulturszenen. Kaum ein Event ohne Mahides Künstler*innen. Es gibt Filme von, mit und über Mahide. Nun also auch endlich die Ausstellung zur Person unserer Zuneigung. Feiern wir Mahide, lassen wir sie hochleben, würdigen wir ihre mütterliche Allmacht, lassen wir uns betören von der erotischen Künstlerin und der politischen Feministin, die sogar Schwule mag.“