LESBISCHES SEHEN / Englisch (045)
Führung durch die Ausstellung LESBISCHES SEHEN. Sie rückt künstlerische Positionen von queeren FLTI* (Frauen, Lesben, Trans, Inter) aus über 100 Jahren in den Blick und zeigt Werke von mehr als 30 Künstler*innen aus sechs Generationen. Damit unternimmt das Schwule Museum im Rahmen des Jahr der Frau_en einen ersten Versuch, sie und ihre Arbeiten zu würdigen. Präsentiert wird ein „verborgenes Museum“ queerer Kunst – aus nicht hegemonial-männlicher Perspektive – ein nicht nur für das Schwule Museum wichtiger Meilenstein, dessen Gründung mit der Ausstellung Eldorado. Homosexuelle Frauen und Männer in Berlin 1850-1950 seinen Ausgang nahm.
LESBISCHES SEHEN nimmt Bezug auf die legendären Ausstellungsprojekte feministischer Kulturaktivist*innen: Etwa die Schau Künstlerinnen International 1877–1977, 1977 in (West-) Berlin von einer Gruppe von Künstlerinnen initiiert – darunter Ursula Bierther, Evelyn Kuwertz und Sara Schumann – oder die wegweisende Ausstellung Das Verborgene Museum, die 1987 die Kunst von Frauen* in den Berliner Sammlungen dokumentierte und unter anderem von Evelyn Kuwertz und Gisela Breitling kuratiert wurde. Inspiriert ist LESBISCHES SEHEN nicht zuletzt von der Great American Lesbian Art Show (GALAS), 1980 im Woman’s Building, Los Angeles, mit Werken von u. a. Tea Corinne, Harmony Hammond und Kate Millet.
Diese Projekte waren programmatisch für den Kampf von FLTI* um Repräsentation in der Kunstwelt und damit ein erstes Aufbegehren gegen die ungleiche Verteilung von ökonomischem und kulturellem Kapital, die heute noch bestimmt wird von Heteronormativität, Geschlechterbinarität, Klassenverhältnissen und Rassismus.
Motiviert ist das Ausstellungsprojekt LESBISCHES SEHEN von der Beobachtung, dass auf den ersten Blick wenig „Lesbisches“ in der Kunstgeschichte zu finden ist und der Frage, wonach eigentlich zu suchen wäre: Der Selbstdefinition der Künstler*in? Nach dem Inhalt oder der Form des Kunstwerkes? Den Produktionsbedingungen, den sozialen Kontexten, innerhalb derer Kunst entsteht? Oder nach der Interpretation durch die Betrachter*innen? Wie kann überhaupt etwas als „lesbisch“ gesehen werden in einer Kultur, in der ein „male gaze“ die Blickregime fundamental bestimmt? Und würde all das heute nicht eher unter dem Begriff „queer“ verhandelt werden?
Die Ausstellung entwirft eine utopisch-melancholische Galerie, die lesbischen Begehrensformen, Erfahrungswelten, Identitätsentwürfen und Lebensweisen auf der Spur ist. „Lesbisch“ wird dabei in seinem umfassendsten Sinn verstanden und anerkannt, dass Begehren und Geschlechtsidentitäten fluide und komplex sind.
Gezeigt werden Werke von Lou Albert-Lazard, Ursula Bierther, Gisela Breitling, Kerstin Drechsel, Martina Minette Dreier, Leonor Fini, Yori Gagarim, Susu Grunenberg, Nilbar Güreş, Grit Hachmeister, Renate Hampke, Lena Rosa Händle, Corinna Harl, Risk Hazekamp, Doli Hilbert, Hannah Höch, Kerstin Honeit, Ingrid Kerma, Evelyn Kuwertz, Lotte Laserstein, Kate Millet, Noemi Yoko Molitor, Gerda Rotermund, Ebba Sakel, Gertrude Sandmann, Ceren Saner, Lene Schneider-Kainer, Sarah Schumann, Simon & Simone, Renée Sintenis, Milly Steger, Erika Stürmer-Alex, Anja Weber, Augusta von Zitzewitz.