8. Mond: Geschichte_n der Zweiten Welle (062)
Im 8. Programm der 12 Monde stellen wir vier Filme vor, die das gesellschaftliche Klima und die Situation von Frauen* und Lesben in den 70er bis 90er Jahren in Deutschland beleuchten und deren Widerstand bezeugen. Während der sogenannten Zweiten Welle der Frauen*bewegung formten Lesben entscheidende Initiativen für das gesellschaftliche Aufbegehren gegen repressive, patriarchale und sexistische Strukturen.
Zärtlichkeit und Rebellion – zur Situation der homosexuellen Frau von Eva Müthel
BRD, 1973, 46 Min., Deutsch
Als erster Beitrag im deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehen (ZDF) über Lesben und bisexuelle Frauen* wurde diese Dokumentation u.a. beim überregionalen Pfingsttreffen unter Mitwirkung der Frauengruppe der Homosexuellen Aktion Westberlin (später LAZ, Lesbisches Aktionszentrum) gedreht. Der Film gibt einen Einblick in das Klima der Zeit, in dem laut einer im Film vorgestellten repräsentativen Studie 34% der Bevölkerung konstatieren, lesbische Frauen* seien ihnen zuwider und 71% der Befragten angeben, Lesben seien ihnen nicht sympathisch. Eine Welle des Protests in der Bevölkerung auslösend und umstritten bei den politisierten Lesben, führte er jedoch zur Erstarkung der Lesbenbewegung und ebnete den Weg für die Repräsentation von Lesben im Fernsehen.
A Litany for Survival: the Life and Work of Audre Lorde von Ada G. Griffin und Michelle Parkerson
USA, 1995, 80 Min., Englisch mit dt. UT
Die früheste Langspieldokumentation über Audre Lorde gibt einen umfassenden Einblick in das öffentliche und private Leben bis kurz vor ihrem Tod, in die Persönlichkeit und das Werk der Schwarzen, Lesbe, Feministin, Mutter, Poetin, Kriegerin. Der Film dokumentiert die Lebensumstände in den USA zu ihrer Lebzeit, die Lordes Blick auf die Lebensbedingungen marginalisierter Personen schärften. Ihre Texte und Reden prägen und inspirieren Frauen*- und Lesben-, Afro-amerikanische und People of Color-Bewegungen weltweit. Immer wieder forderte sie darin weiße Feminist*innen zu intersektionalem Denken und Handeln auf. In ihren langen Aufenthalten in West-Berlin, während derer sie sich u.a. einer alternativen Krebsbehandlung unterzog und als Gastprofessorin an der FU arbeitete, bestärkte sie die Frauen* der sich gerade formenden Afro-deutschen Community, ihre eigenen Stimmen zu finden.
Die Ritterinnen von Barbara Teufel
Deutschland, 2003, 96 Min., Deutsch mit engl. UT
Sieben Frauen einer WG in der Ritterstrasse in Kreuzberg werfen die Männer aus ihrer Etage und wollen am großen Rad drehen: IWF und Weltbank stürzen, Macht- und Kommunikationsmuster aushebeln, Privatheit, Arbeitsverhältnisse, Eigentum und Geschlechterverhältnisse in Frage stellen. Der aus der eigenen Biografie heraus entstandene Hybrid aus Inszenierung, Archiv- und dokumentarischem Material zeichnet die Zeit um 1987-1992 nach: den 1. Mai ‘87 und die von der Gruppe mitinitiierten Protestaktionen gegen den IWF und die Weltbank bis zu den nach dem Mauerfall folgenden Hausbesetzungen im Osten Berlins. Sehnsüchtig und selbstironisch verdichtet der Film das Lebensgefühl dieser Kreuzberger Szene der 80er Jahre: „links, radikal, anarchistisch, zornig, zärtlich, zauberhaft“. Die Vorbereitungen politischer Protestaktionen vermischen sich mit persönlichen Geschichten und den Höhen und Tiefen des Alltagslebens in der WG. Die Originalbesetzung der WG kommt 10 Jahre später für den Film wieder zusammen. Das große Rad hatte sich weiter gedreht, statt des Patriarchats fiel die Mauer.
warum wir so gefährlich waren von Songül Bitis, Samira Mahmud, Colin Müller, Marie Schlingmann
Deutschland, 2006, 50 Min., Deutsch
Lesbisches Leben war in der DDR kaum sichtbar. Die Kirche bot damals die einzige Möglichkeit, sich zu organisieren und Öffentlichkeit zu erzeugen. Zwischen 1984 und 1986 versuchten Frauen der Ostberliner Gruppe Arbeitskreis Homosexuelle Selbsthilfe Berlin – Lesben in der Kirche (LiK) an mehreren Gedenkveranstaltungen im ehemaligen Frauenkonzentrationslager Ravensbrück teilzunehmen. Sie wollten an die Verfolgung lesbischer Frauen* im Nationalsozialismus erinnern und erlebten dabei das Verschweigen lesbischer Existenzen durch den antifaschistischen Staat. Zwanzig Jahre später erinnern sich vier dieser Frauen an die Geschehnisse, Motive, an die harschen staatlichen Reaktionen und an die politische Arbeit in der Gruppe und gehen der Frage nach, warum Lesben für die SED eine solche Bedrohung darstellten.